Bergbauernhilfe Südtirol

Südtirol - Unser Arbeitseinsatz

Unsere Einreise nach Saba war erst einmal gestrichen. Also musste eine Alternative her, auch wenn es zu Saba kaum eine solche geben dürfte. Immerhin wollten wir unser Sabbatical trotz der Umstände durchziehen. Ich (Thomas) erinnerte mich an ein Gespräch mit einer Bekannten aus Augsburg. Mit ihr hatte ich mich über unsere Pläne für die Auszeit ausgetauscht. Sie hat dabei auch über ihr, wenn auch etwas kleineres, Vorhaben erzählt. Ein Arbeitseinsatz über die Bergbauernhilfe Südtirol. Das hat sich schon bei Ihrer Erzählung sehr spannend angehört und als es uns bei der Suche nach Alternativen wieder in den Sinn kam, war uns direkt klar, das machen wir auch. Es schien perfekt zu sein für unseren Start in das Sabbatical.

Die Bergbauernhilfe Südtirol

Bevor ich hier weiter auf unsere Erlebnisse und Erfahrungen eingehen, sollten wir ein bisschen mehr über diese tolle Organisation sprechen. Was ist diese Bergbauernhilfe genau? Die Antworten sind zwar auch auf der Webseite zu finden aber wir fassen das mal kurz zusammen. Wie der Name sagt, handelt es sich um eine Organisation, welche Bergbauern, die unverschuldet in Not geraten sind, hilft. Und zwar mit sogenannter Manpower bzw. Womenpower, also freiwilligen Helfern. Jetzt muss vielleicht noch kurz erklärt werden was es mit den Bergbauern auf sich hat. Diese grenzen sich zu „normalen“ Bauern dadurch ab, dass Sie meist höher gelegen sind, sprich in den Bergen, was die Arbeit und das Bewirtschaften des Hofes, der Felder, Wiesen und Weiden weit schwieriger macht. Noch dazu kann der Großteil der Arbeiten nicht maschinell unterstützt werden. Also fast alles Handarbeit. Kommt nun noch eine Krankheit der Bauersleute, finanzielle Not, oder einfach nur hohes Alter hinzu, können die anfallenden Arbeiten oft nicht mehr alleine bewältigt werden. Sicherlich die bekannteste dieser Arbeiten und gleichzeitig eine der härtesten ist die Heuernte an den Steilhängen. Oft bleibt den Bauersleuten als letzte Option nur noch das Aufgeben des Hofes. Man muss nun noch wissen, dass diese Höfe meist schon hunderte Jahre alt und kaum mehr aus den Bergen Südtirols wegzudenken sind. Ein Verlust dieser Höfe bedeutet also auch den Verlust einer fast einzigartigen Kultur. Um das alles zu verhindern, kommt hier die Bergbauernhilfe ins Spiel. Sie tritt in Kontakt mit den betroffenen Bauern und bietet gleichzeitig eine Plattform für Freiwillige Helfer. Diese melden sich dort an und je nach Erfahrung, Beruf, körperliche Fitness oder Begabung, werden die Helfer den Bauern zugeteilt. Man lebt bei der Familie am Hof und erledigen eben was gerade ansteht. Vor allem, wenn man selbst dort war, die Schicksale sieht und miterlebt mit welcher Hingabe die Menschen Ihre Höfe am Laufen halten, kann man verstehen wie wichtig eine Organisation wie die Bergbauernhilfe ist.

Für mehr Infos zur Bergbauernhilfe >>> https://www.bergbauernhilfe.it/

Vorbereitung ist alles

Wir hatten uns also angemeldet und auch bald Rückmeldung bekommen. Die Ansprechpartner sind sehr freundlich und man merkt sofort wie sehr sie sich für jeden engagieren. Sowohl für die Bauern, als auch für die Freiwilligen. Besonders wichtig ist ihnen dabei die zukünftigen Helfer auf die körperliche Anstrengung hinzuweisen. Das hat auch seinen Grund, wie wir selbst noch herausfinden einen sollten. Als Nächstes nahmen wir die uns zugeschickten Hofvorschläge unter die Lupe und suchten den für uns passenden Hof aus. Alle Informationen waren also ausgetauscht, unsere Fitness nach eigener Einschätzung für gut befunden und der Hof gewählt. Kurzum, es stand unserem Südtirolabenteuer nichts mehr im Weg. Bevor es nach Südtirol ging, haben wir uns nach fast 8 Jahren fürs Erste von Augsburg verabschiedet. Nur eines mussten wir noch erledigen. Gummistiefel kaufen. Hört sich vielleicht komisch an, aber als Stadtbewohner kommt man nur sehr selten in die Situation solch eine Fußbekleidung zu benötigen. In unserem Fall nie. Nun aber ging’s los. Bepackt mit dem wichtigsten was man zum Arbeiten auf den Hängen oder im Stall, aber auch auf ausgedehnten Bergtouren benötigt. Während der Anfahrt kommt man nicht umhin, neben dem Bewundern der Landschaft, sich den ein oder anderen Gedanken über die Zeit am Hof zu machen. Kommt man mit der Familie zurecht, schafft man die anstehenden Arbeiten oder wie werde wir bloß den Muskelkater überstehen?

Wir werden Bergbauern

Zumindest vorübergehend. Spätnachmittags angekommen, erkunden wir erst einmal den beschaulichen Ort Abtei. Naja irgendwie sind ja die meisten Ecken Südtirols eher beschaulich. Was sofort auffällt, ist das Aufeinandertreffen von alter Kultur und modernem Tourismus vor dieser atemberaubenden Landschaft. Bei einem gemütlichen Abendessen lernen wir dann fast die gesamte Familie kennen. Wir fühlen uns sofort aufgenommen und es gibt so gut wie keine Anlaufschwierigkeiten. Über die Arbeit wird noch nicht viel gesprochen. Dafür mehr über die Geschichte des Hofes, welche immerhin bis ins Jahr 1604 zurückreicht. Schließlich erfahren wir dann noch, dass es am nächsten Tag um 5:45 Uhr losgeht. Das war keine Überraschung, da wir uns darauf schon eingestellt hatten. Kurz bevor uns im Bett die Augen zu fallen tauschen wir natürlich die ersten Eindrücke aus und reden darüber wie denn die Arbeit wohl sein wird. Christina war überzeugt, dass wir erst mal eine Einweisung bekommen und uns alles nach und nach gezeigt wird. Klingt ja auch logisch. Schon der nächste Morgen belehrt uns eines Besseren. Wir quälen uns also um 5:15 Uhr aus dem Bett, machen uns fertig, schlüpfen in die Overalls und Gummistiefel und gehen pünktlich um viertel vor sechs mit dem Bauern in den Stall. Dort geht es dann direkt los. Keine große Einführung oder Erklärung, sondern Heugabel in die Hand und los. Mist wegmachen, Heu auffüllen, Kälber füttern, zum Misthaufen und wieder von vorne. Die richtigen Handgriffe lernt man einfach nebenbei. Learning by doing, wie man so schön sagt. Nur hier und da gibt es Korrekturen vom Bauern. So läuft das die nächsten Wochen mit allen Tätigkeiten ab. Um ehrlich zu sein, fällt das anfangs etwas schwer. Man ist es schlicht nicht gewohnt einfach so loszulegen. Im Gegenteil, man will oft noch mehr Erklärungen haben, weil man ja unbedingt Fehler vermeide möchte. Aber ganz anders hier. Und je länger wir auf dem Hof sind, desto mehr schätzen wir das. Man ist voll und ganz bei der Sache ohne alles bis ins Kleinste zu zerdenken. Das ist ebenso eine der positiven Dinge die wir aus der Zeit mitnehmen.

Arbeit, Arbeit, Arbeit

Eines war uns vorher schon irgendwie klar: Die Arbeit geht einem auf dem Bauernhof nie aus. Nach ein paar Tagen vor Ort wurden wir darin mehr als nur bestätigt. Der „normale“ Tagesablauf war ungefähr so:

  • 5:45 - Stall ausmisten, Kühe melken und Kälber füttern

  • 7:30 - Ziegen versorgen

  • 8:00 - Frühstück

  • 9:15 - Milchtank sauber machen

  • 9:45 - Kälber auf die Weide bringen

  • 10:15 - Heu auffüllen

  • 10:30 - 11:30 -  Zeit für außerplanmäßige Arbeiten

  • 11:30 - Kühe auf die Weide lassen

  • 12:00 - Mittagessen

  • 13:00 - Stall sauber machen

  • 13:45 - 17:00 - noch mehr Zeit für außerplanmäßige Arbeiten

  • 17:00 - Kälber in den Stall bringen

  • 17:30 - Kühe in den Stall lassen, bzw. die Nachzügler reintreiben

  • 17:45 - Kühe füttern, Melken, Stall sauber machen und Kälber füttern

  • 19:45 - Abendessen

So aufgelistet scheint das auch uns sehr viel zu sein, aber wenn man erst einmal dort arbeitet, empfindet man das nicht so. Man ist eben immer beschäftigt und hat auch nicht viel Zeit drüber nachzudenken. Dazu kommt, dass die meiste Arbeit auch richtig Spaß gemacht hat. Außerdem lernt man was dabei, wie zum Beispiel das Melken. Ein Punkt wird Dir beim Lesen vielleicht aufgefallen sein. Was sind diese „außerplanmäßigen“ Arbeiten? So allerhand. Zuallererst natürlich das Heu machen. Wir waren gerade zur Zeit des zweiten Schnitts in Südtirol. Soll heißen, die Weiden werden zum zweiten Mal gemäht. Angefangen von den nicht so steilen Hängen direkt am Hof, welche noch großteils mit dem Mähtruck bearbeitet werden konnten, bis hin zu den Steilhängen wo harte Handarbeit gefragt war. Das ist übrigens wirklich so anstrengend, wie es die Leute immer Erzählen und man hat definitiv ein paar Tage was davon. Vor allem Muskelkater aber auch die ein oder andere Blase an den Händen. Gibt es gerade kein Heu zu machen, wird zum Beispiel eine Weide neu abgesteckt. Eine Tätigkeit die recht entspannt klingt. Wenn man aber entweder aus Versehen die falsche Weide absteckt oder den Knoten des Todes in eines der Kabel bekommt, wird auch diese Arbeit sehr anstrengend und nervenaufreibend. An anderen Tagen werden Sträucher abgeschnitten, eine Wand im Haus herausgerissen, eine Treppe neu betoniert oder Holzbalken in den neuen Ferienwohnungen gereinigt. Es gibt also immer etwas zu tun. Nur der Abend gestaltet sich immer gleich. Man fällt todmüde ins Bett. Bei all den Arbeiten gab es natürlich auch Highlights, welche für uns am Ende herausstechen. Um die Liste kurz zu halten, beschränken wir uns auf drei:

  1. Das Heu machen war zwar anstrengend aber sehr interessant und vor der Kulisse der Berge doch wirklich schön.

  2. Der Almabtrieb. Das war ein rundum großartiger Tag und sicherlich eine Erfahrung die wir nicht missen wollen. Dazu wird es noch einen extra Beitrag geben.

  3. Die Geburt eines kleinen Stieres. Dass wir hier mithelfen konnten und den kleinen Burschi bei seinen ersten Schritten im Leben begleiten durften, war aufregend und erfüllend zugleich.

Abschied und neues Abenteuer

Wie Du siehst, gab es, alles in allem, sehr viel zu tun und es hat uns auch richtig Spaß gemacht. So hatten wir auch nie das Gefühl mehr Freizeit zu brauchen. Trotzdem haben wir die wenige freie Zeit genutzt, um entweder an unserer Webseite zu arbeiten, oder an den weiteren Plänen für das Sabbatical zu feilen. Schließlich haben wir uns noch einen Tag komplett freigenommen und auf Anraten der Familie eine Wanderung entlang des nahegelegenen Berges Heiligkreuzkofl unternommen. Das stellte sich als wunderbare Idee heraus. Auch wenn die Wanderung sich zu einer kleinen, ungeplanten Schneewanderung entwickelte. Die Landschaft war jedoch großartig und auf jeden Fall die Mühe wert. Nach gut drei Wochen war die Zeit auf dem Hof schon wieder vorbei. Die Zeit verflog geradezu, was wohl vor allem daran lag, dass wir ständig beschäftigt waren. Da wir weder bei der Planung des Sabbaticals noch mit der Webseite so weit waren, wie wir es uns vorgenommen hatten, blieben wir noch ein paar Tage länger in den Dolomiten. Wie sich kurz vor unserer Abreise herausstellte, betreiben guten Freunde ein kleines Ferienhaus ganz in der Nähe des Bergbauernhofes. Somit nisteten wir uns ein paar Tage dort ein, um etwas zu entspannen und weiter an unseren Projekten zu arbeiten.

Fazit

Können wir einen Arbeitseinsatz über die Bergbauernhilfe empfehlen? Ja auf jeden Fall. Was wir dort erleben durften, die Arbeit, die Menschen und auch die Landschaft und Natur drum herum, wollen wir definitiv nicht mehr missen. Es hat uns sogar so sehr dort gefallen, dass wir sicherlich nochmal zurückkehren werden. So können wir es jedem ans Herz legen sich etwas mehr über dieses Tolle Projekt zu informieren und vielleicht in Zukunft selbst ebenfalls einen Einsatz in Südtirol zu machen.

Für uns geht es nun erst mal weiter zur nächsten Etappe. Mal sehen, wo es uns noch so hin verschlägt...

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